Übern Rhein nach Mainz (14,3 km)

28. Mai 2009

In den letzten Wochen hatte ich ja öfter in Mainz zu tun, und hab´ diese Gelegenheiten jeweils genutzt, um mein Streckennetz entlang der Fahrtstrecke weiter auszubauen.
Dabei bin ich – ohne es richtig geplant zu haben – immer weiter westwärts in Richtung Rhein vorgedrungen: Vor drei Wochen nach Bauschheim, eine Woche später dann bis nach Ginsheim, also schon fast bis an den Rhein und nach Mainz.

Aber mal ehrlich – „fast bis an den Rhein und nach Mainz“, das klingt irgendiwe total doof, oder?
Vor allem das „fast“, das gehört unbedingt geändert… 😉

Und heute war´s so weit: Termin in der schönen Hauptstadt von Rheinland-Pfalz, und danach dann die fast schon obligatorische Tour entlang der Strecke nach Hause.
Und zwar nicht irgendeine Tour, heute wollte ich dieses ominöse „fast“ loswerden. Konkret: Vom Ginsheimer Altrheinufer aus nordwärts bis zur Weisenauer Brücke, auf der über den Rhein nach Rheinlandpfalz, endlich endlich endlich Mainz ans Streckennetz anschließen (zumindest die südlichen Vororte Laubenheim, Weisenau und Mainz), einmal um den riesigen Weisenauer Steinbruch laufen, runter ans Rheinufer, auf der anderen Seite der Weisenauer Brücke zurück nach Hessen und dann durch die Rheinauen wieder nach Ginsheim.
Versprach nicht unbedingt eine schöne Tour zu werden (signifikantes Stücke der Strecke direkt an der Autobahn und im Industriegebiet), aber auf jeden Fall ein interessantes.
Und auf das läuferische Erreichen von Mainz, das ich sehr gerne mag, freute ich mich schon ganz besonders!

Ausgangspunkt: Die ginsheimer Uferpromenade.
Sah genauso aus wie vor knapp zwei Wochen, als ich hier vor zwei Wochen vorbeigekommen war: Der ruhige Altrhein mit Anlegestelle und ein paar Booten, am gegenüberliegenden Ufer die urigen Auwälder der Nonnenaue, und zur Ginsheimer Seite hin ein Grünstreifen mit alten Bäumen, dahinter die kleine Erhebung zur Dammstr. mit ihren alten, großen Häusern, und mittendrin ein paar Boulespielende Rentner.
Bloß das Wetter war ein bisschen schlechter als beim letzten Mal – einen Tick zu kühl und ganz trüb, mit finsteren, tief hängenden Wolken und relativ hoher Luftfeuchtigkeit, das wollte mir irgendwie nicht so ganz gefallen.
But hey, mustn´t grumble, eh?

Erstmal nordwärts, die verbundgepflasterte Dammstr. hoch.
Rechts die letzten Häuser von Ginsheim, links ein kleines Flutschutzmäuerchen (falls der Rhein mal vorbeikommen will und die Ginsheimer das nicht möchten), dann etwas tiefer liegend am Fuß den Damms die gepflegten Grünanlagen (und Überflutungsflächen) am Altrheinufer.

Etwas holpriger Anfang. Beine so ein bisschen steif und unwillig, da liess ich´s lieber mal langsam angehen, zumal ja kein Grund zur Eile bestand.

Nach ca. einem km war Ginsheim zu Ende, es ging raus in die Auwiesen und Felder nördlich des Ortes, immer auf dem Fuß- und Radweg auf der Deichkrone (Markierungen: Radweg R6, Rhein-Radweg, Regionalparkweg).
Hier fing´s zu regnen an.
Erst etwas nieselig, dann stärker.
Großen, dicken, überraschend kalten Tropfen im Staccato-Rhythmus.
Hrm.
Zum Glück hatte ich die brilleschützende Mütze auf (Taschentücher hatte ich keine, und wer schon mal versucht hat, eine Brille mit Laufklamotten abzuwischen weiss, wie wenig das bring) und es dauerte nicht so lange.
Trotzdem: Brauch´ isch net, mag isch net, will isch net.
Hrm.

Einen knappen Kilometer auf dem Deich durch die Aulandschaft, vorbei an Pumpwerken, alten Bäumen, großen Wiesen und einigen Radfahrern, bis ich den Fuß der Weisenauer Brücke erreichte.
Heidenei, ganz schön beeindruckend – wenn man drüber fährt bemerkt man das gar nicht richtig, wenn man unten dran steht hingegen schon: Das ist ist echt ein Riesenteil, das sich da mit fast einem Kilometer länge in einer Höhe von 20 oder 30 m. über den Rhein spannt.

Da ging´s jetzt rauf, recht eine Fahrradrampe samt scharfer Kehre hoch und dann auf dem schmalen Fuß-/Radweg am Brückenrand westwärts.
Ganz ehrlich: Nicht wirklich angenehm (aber das war mir vorher schon klar gewesen).
Die Weisenauer Brücke ist eine Autobahnbrücke, auf der eine der wichtigsten und vielbefahrensten Verkehrsadern der Region verläuft, nämlich die A60 von Mainz in Richtung Frankfurt. Sechsspurig, hohes Verkehrsaufkommen selbst außerhalb der Stosszeiten.
Und an den Rändern der Brücke, links und rechts der Trasse, jeweils ein schmaler Weg für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer, da wo normalerweise der Seitenstreifen wäre.
Will heissen: Ist man wirklich ganz nah dran, läuft über den Fluss während gerade mal einen Meter neben einem, lediglich abgetrennt durch ein (immerhin massiv wirkendes) bauchhohes Mäuerchen Autos, Lastwagen, Busse und Motorräder mit hundert Sachen an einem vorbeidonnern.
Laut und rußig und ehrlich gesagt auch ein bisschen beunruhigend…
Und laut, hab´ ich das schon erwähnt?

Und da lief´ ich jetzt drüber, so nah wie nie zuvor am Rand einer BAB.
Meine fünfte laufende Rheinüberquerung überhaupt, und erst die dritte sei Laufblogbeginn (in den letzten zwei Jahren bin ich tatsächlich nur bei einem anderen Lauf über den Rhein gelaufen, hin und zurück über die Wormser Nibelungenbrücke im Oktober 07), also schon was Besonderes.

Wie gesagt: Richtig angenehm war´s nicht. Zähne zusammenbeissen, Mütze ab (wollte nicht, dass sie von einer besonders starken Laster-fährt-vorbei-Böe in den Fluss geweht wird) und rüber.
Zog sich ganz schön – ich bin hier ja jahrelang mit dem Auto drübergependelt, da ist die Überquerung nur ein Augenblick, der schnell vorbeihuscht.
Zu Fuß merkt man erst mal, wie lang die Brücke wirklich ist.
Lang. Verflixt lang.

Und dann gibt´s dann noch was, was man zu Fuß erst mal richtig merkt – nämlich was für eine großartige Aussicht man von hier oben hat, während man über den Rhein läuft. Da ist erst mal der Fluss selbst, der aus dieser Perspektive unheimlich riesig und mächtig wirkt (was er ja auch ist)- ein graugrünes Band, breiter als drei Fussballfelder lang sind, das sich von Süden herauf durch die Ebene wälzt, um dann irgendwann an der großen Flusskurve zwischen Mainz und Wiesbaden abzudrehen, immer in Bewegung, gemächlich, majestätisch.
Dazu: Landschaft. Linkerhand die weiten bewaldeten Austreifen, dahinter das flache Ried und die ferne Bergstrasse (rechtsrheinisch) und das weite rheinhessische Hügelland (linksrheinisch). Rechts, jenseits der Autobahn, Mainz. Das Rheinufer, der Dom, die Bahnbrücke an der Mainspitze, dahinter Wiesbaden und der Taunus.
Richtig hübsch, da hatte ich wenigstes was zum Schauen während ich die Landesgrenze hoch über der Flussmitte passierte und versuchte, die ständige in erweiterter Armeslänge vor vorbeirasenden Lastzüge so gut wie möglich zu ignorieren.

Und dann war ich auf einmal drüben, am Rheinland-Pfälzischen Ufer und damit schon mitten im Mainzer Stadtgebiet.
Zugegeben, wer über die Weisenauer Brücke mainzwärts fährt, wird nicht gerade von der Schokoladenseite der Stadt begrüsst (für Schokoladenseite muss über die Theodor-Heuss-Brücke ein paar km flussabwärts fahren): Da kommen rechts erstmal die blockigen, zyklopischen Industrieanlagen der Zementfabrik am Rheinufer, dann klafft auch gleich schon das schroffe und etwas öde wirkende Riesenloch des Weisenauer Steinbruchs in der Hügelflanke.
Störte aber nicht weiter, schließlich bin ich hier schon so oft langgefahren, dass es sich fast ein bisschen wie Nachhausekommen anfühlte – und das zum allerersten Mal im Leben zu Fuß. Irgendwie ein schönes Gefühl… 🙂

Noch ein paar hundert Meter weiter neben der Autobahn an der Brücke westwärts (wirklich faszinierend, wieviel länger man laufend für Strecken braucht, die mit dem Auto ein paar Sekunden in Anspruch nehmen), dann an Auffahrt von der B9 runter und auf einem abgesperrten Strassenteil im konfusen Autobahn/Zubringer/Abfahrten-wirrwarr runter an die breite Oppenheimer Str.
Dort dann rechts, auf dem Bürgersteig südwärts bis in den Mainzer Stadtteil Laubenheim. Sah gar nicht besonders so großstädtisch aus hier unten, vor allem unscheinbare Wohnhäuser mit Gärten reihten sich neben der Durchgangsstrasse aneinander.

Bei der ersten Gelegenheit: Rechts, ins „Enggäßchen“. Freundliches Neubaugebiet, und zum ersten Mal auf der heutigen Tour eine richtige Steigung. Laubenheim liegt nämlich am Hang des ersten rheinhessischen Hügels, der sich nach dem Flussuferbereich erhebt, und der sieht auf den ersten Blick gar nicht so beeindruckend aus, aber ein blick auf die topografische Karte verrät, dass es da doch ordentlich – und vor allem ordentlich steil – hochgeht: Das Flachland hinterm Rheinufer liegt auf gerade mal 90 m. ü.NN, die Laubenheimer Höhe bringt es ein paar hundert Meter weiter westlich auf immerhin über 190 m.ü.NN.
Das will erstmal erklettert sein.

Fiel gar nicht so leicht, das steile Engäßchen hochzukeuchen – meine Waden hatten ja schon in der Ebene ein bisschen gezickt, die Steigung gefiel ihnen auch nicht besser, also mäkelten und lamentierten sie ein bisschen vor sich hin, wofür ich sie allerdings mit stoischer Verachtung strafte (die sollen gefälligst die Schnauze halten wenn gelaufen wird, die ollen Piensen! 😀 ).

Nach 300 m. bergauf erreichte ich die quer am Berg verlaufende Pfarrer-Goedecker-Str., die auf irgendwie seltsame Art und Weise mitten durch den Laubenheimer Friedhof verläuft und ihn dabei zweiteilt – Gräber oberhalb der Strasse, Gräber unterhalb, und eine durchgängige Friedhofsmauer hat´s hier auch nicht (ich vermute mal, dass diese Strasse, die von Laubenheim über die Anhöhe nach Hechtsheim führt, relativ neu ist, und aufgrund irgendwelcher geografischer Gegebenheiten durch den Friedhof gelegt werden musste. Oder die Strassenplaner waren Sturzbesoffen, als sie sich das hier ausgedacht haben… 😉 ).

Kurz rechts, dann gleich wieder links und um den oberen Teil des Friedhofs herum die sacksteile Strasse „Am Bornberg“ hoch.
Puha, ganz schön anstrengend…

Aber es gab auch was zur Belohnung, nämlich Aussicht, und zwar von einer kleinen Terasse neben der Trauerhalle über dem Friedhof.
Blick nach Südosten vom Hang runter in die Rheinebene, über das weite Ried bis an die Bergstrasse, die gerade stimmungsvoll unter düstersten Wolken versank (das schlechte Wetter von vorhin war offensichtlich nach Südosten weitergezogen und sammelte sich jetzt drüben am Rand des fernen Odenwaldes, während es hier immer freundlicher wurde).
Schöner Blick, den gönnte ich mir ein, zwei Minuten bevor´s weiterging.

Nun wieder leicht abwärts, am Hang entlang den Bornberg runter.
Der unsicherste Teil der heutigen Tour: Ich wollte ja hoch auf die Laubenheimer Höhe über dem Ort.
Guter Idee, das Problem war allerdings, das Laubenheim nicht bis ganz oben reicht – stattdessen zieht sich zwischen dem Ortsrand und dem Beginn des Hochplateaus obendrüber ein vielleicht 100 m. breiter Streifen Steilhang mit undurchdringlicher Wildnis über Laubenheim entlang, den es nun irgendwie zu überwinden galt.
Viele Wege dadurch gibt´s offensichtlich nicht, und so hatte ich geplant, es mal in der Querstrasse „Auf der Burg“ zu versuchen, von der sich laut Google Earth irgendwas den Hang hochzog, was vielleicht ein Trampelfpad war.
Oder auch nicht…

Folgerichtig lief ich in die Sackgasse „Auf der Burg“ am obersten Rand von Laubenheim ein und hielt rechts am Hang Ausschau nach dem Durchgang.

Ohne Erfolg.

Neubaugebiet, große, blockige Pseudobungalows, dicht an dicht.
Da wo Google Earth noch einen Durchgang zeigt, steht inzwischen ein neues Mehrfamilienhaus, da kommt man nicht mehr durch.
Also schaute ich weiter, lief bis zum Ende der Strasse, wo es in der Tat etwas nach oben ging, aber leider nicht genug. Da hätte ich dann nur noch durch ein Privatgrundstück weitergekonnt, und da hinter den Fenstern des dazugehörigen Hauses offensichtlich gerade Personen unterwegs waren, liess ich das dann doch lieber sein (in der Annahme, dass die Grundstücksbesitzer es vielleicht nicht so gerne sehen könnten, wenn irgendein dahergelaufener schwitzender Jogger durch ihren Garten kraxelt…).

Rien ne va plus – Umkehr.
Ich musste mir einen anderen Weg suchen.
Und zurück, aus „In der Burg“ raus zurück auf den Bornberg, dort wieder über dem Friedhof entlang, wo ich schließlich am Friedhofsparkpaltz eine Treppe entdeckte, die durch den Buschwald am Steilhang hinauf auf die Laubenheimer Höhe führte (und im Stadtplan nicht aufgeführt ist. Böser Stadtplan!).
Die nahm ich dann und erreichte nach vielen, anstrengenden Stufen schließlich japsend und schwitzend den Rand der riesigen, offenen Hochebene südlich von Mainz.

Oben. Aber durch den Umweg auch etwas ab vom Kurs, da musste ich erstmal nach links, am oberen Rand des Wildnisstreifens nach Süden, dahin wo der ursprünglich erhoffte Durchgang rausgekommen wäre.
Na dann…

Hübsch hier oben, links der Buschwald, rechts Weinberge.
Ich mag Weinberge (nur falls das noch nicht offensichtlich geworden sein sollte… 🙂 ).
Und zu allem Überfluss rissen auch gerade noch die Wolken auf und herrliches, warmes, strahlendes Sonnenlicht flutete aus einem unvermittelt blauen Himmel herunter.
Unglaublich, wieviel schöner dadurch alles wird…
Bloß eins enttäuschte mich hier etwas – ich hatte auf etwas mehr Aussicht in die Rheinebene gehofft, doch die Bäume und Büsche am Plateaurand verdeckten die Sicht vollkommen.
Zumindest vorerst…

Südwärts, einen knappen halben Kilometer am Rand der Rebenreihen entlang, schön langsam, die Sonne und den angenehm weichen Untergrund geniessend. Schließlich rechts und weiter auf die Hochebene hinauf bis auf den ein paar Meter weiter oben verlaufenden Erich-Koch-Höhenweg.

Und da war sie dann auf einmal, die Aussicht.
UND WAS FÜR EINE!!!!
Von hier oben kann man die gesamte nördliche Rheinebene überblicken, man sieht einfach ALLES:
Links der Taunus in seiner vollen Länge, wie er sich von Wiesbaden bis zum Großen Feldberg und dem Altkönig erhebt, die heute beide in geheimnisvolle Dunstschwaden getaucht waren. Davor die Mainterasse, Hochheim samt Kirche und charakteristischen drei Hochhäusern, dahinter rechte Rüsselsheim samt Opel-Werk, links Hofheim und die Vorberge des Taunus, heute eine Flickenteppich aus Sonne und Wolkenschatten, und schließlich – scheinbar zum Greifen nahe und im Sonnenlicht schimmernd – die einmalige Frankfurter Skyline, heute mal aus einer ganz ungewohnten Perspektive.
Weiter südlich dann der Frankfurter Flughafen und die riesigen Waldgebiete zwischen Main und Ried, Darmstadt und schließlich Bergstrasse und Odenwald (Neunkircher Höhe, Frankenstein-Massiv, Felsberg, und natürlich der unvervechselbare Kegel des Melibokus), die sich immer noch unter hochaufgetürmten, grünschwarzen Unwetterwolken duckten. Davor die Riedebene mit ihren kleinen Dörfchen, weites Land aus Feldern und Wiesen, dazwischen immer mal ein Kirchturm, schließlich der Kühkopf und die Knoblauchsaue, wesentlich näher die langgezogene Nonnenaue. Davor schließlich das mächtige graubraune Band des Rheins, das gerade ebenfalls in der Sonne lag und wunderschön glitzerte. Rechts schließlich, auf der anderen Rheinseite Rheinhessen, die ersten Hügel voller Weinreben, im Vordergrund schließlich Bodenheim, Nackenheim (erkennbar an seiner charakteristischen gelben Kirche) und der Laubenheimer Uferstreifen, begrenzt durch die überraschend klein wirkende Weisenauer Brücke.
Wunder-, wunderschön.
Da ist man Jahrelang regelmäßig in Mainz und schafft es nicht einmal bis hier hoch – eine Schande!
Gut, dass ich da heute Abhilfe geschaffen hatte, dass machte das grauslige Stück an der Autobahn mehr als wett!

Ein paar Minuten stand ich einfach nur still da, sog das Sonnenlicht und den herrlichen Ausblick in mich auf, zufrieden, glücklich, staunend. Bis es mir in der frischen Brise hier oben schließlich zu kalt wurde und ich dann doch mal ans Weitermachen denken musste.

Westwärts den martialisch klingenden „Flakweg“ hoch, durch die wirklich unendlich scheinenden Felder der Hochebene, vorbei am einsamen Gutshof auf der Laubenheimer Höhe, immer weiter in Richtung Hechtsheim (möglicherweise war das übrigens der Rheinhöhenweg hier oben, auch wenn mir kein entsprecher Marker auffiel).
Die Aussicht wuchs übrigens mit – es ging weiter leicht aufwärts, und mit jedem zusätzlichen Höhenmeter wurde der Blick nach Norden besser, so dass ich bald über ganz Mainz hinweg schauen konnte (Da! Der Dom! Und da! Das Schloss am Rheinufer vor der Theodor-Heuss-Brücke. Und da! Die Hochhäuser am Hauptbahnhof! Und da unten, hinter Bretzenheim! Die gute alte Uni!), über den Rhein, zuerst nur bis ins nahe Wiesbaden, das sich regelrecht in die mächtigen Taunusflanken hineinschmiegt und von mächtigen grünen Gipfeln eingerahmt wird (unter anderem natürlich auch wieder die Hohe Wurzel, die ja inzwischen als mittelbares Laufziel mehr oder weniger feststeht), noch ein bisschen Höher sogar noch weiter, den Rheingau runter in Richtung Mittelrheintal.
Wahnsinn!
Zum Glück war der Weg gut in Schuss, so wie meine Augen auf das herrliche Panorama fixiert waren, hätte ich auf einer schlechteren Strecke ein Dutzend Mal auf die Fresse fliegen können…

Einen halben Kilometer nach dem Gutshof und auf immerhin fast 195 m.ü.NN hiess es dann so langsam Abschied von der Laubenheimer Höhe nehmen und wieder in Richtung Rheinufer steuern: Rechts ab, runter zur Landstrasse zwischen Laubenheim und Hechtsheim (die, die durch den Laubenheimer Friedhof führt), rüber, und auf der anderen Seite geradeaus/leicht abwärts (immer noch mit schönem Mainz-Panorama) am Rand des riesigen Weisenauer Steinbruchs entlang (von dem sah man allerdings nicht, da ist ein hoher Zaun und es stehen Bäume davor).

Links jenseits der strahlendgrünen Felder inzwischen Mainz-Hechtsheim, ein großes Neubaugebiet auf einem kleinen Buckel, das irgendwie etwas mittelalterlich-verwinkeltes hatte, gefiel mir zumindest aus der Ferne richtig gut (und sowas schreib´ ich nicht oft über Neubaugebiete…).
Nach einem halben Kilometer kurz am Hechtsheimer Ortsrand entlang („Am Großberg“), dann weiter den inzwischen schon wieder deutlich niedriger liegenden Hang runter, an einem ziemlich großen Baugebiet vorbei, wo gerade dutzendfach unansehnlich Doppelhaushälften aus der Hanglage gestampft werden, und schließlich auf einer Fußgängerbrücke über die gute, altbekannte A60 zwischen Weisenau und Hechtsheim (auch hier wieder: Schon tausendmal gefahren, heute zum erstenmal überlaufen).

Dahinter direkt rechts, an einem Schild vorbei, dass mich darüber informierte, dass ich mich nun auf dem Privatgelände der Heidelberg Cement-Werke befände und auf eigene Gefahr liefe, und dann wieder links, weiter am (immer noch unsichtbaren) Rand des riesigen Steinbruchloches entlang leicht bergab.

Schönes Stück. Der Steinbruch ist seit einigen Jahren außer Betrieb und entsprechend hat man angefangen, ihn wieder zu renaturieren, das merkt man hier an seinem grünen Rand bereits – viele hohe aber nicht zu alte Bäume, dichter Bodenbewuchs mit vielen Blütenpflanzen, Schmetterlinge, singende Vögel, nicht wenige Mainzer Bürger beim Spazieren oder Hundegassiführen (hier gönnte ich mir dann auch noch eine kurze Pause, um einen lustigen kleinen Hund zu begrüssen, der mich erst im Vorbeilaufen angekläfft hatte und sich dann riesig darüber freute, dass ich ihn ihn zur Kenntnis nahm. Dazu noch ein freundlicher Plausch mit dem Besitzer, so lob´ ich mir Passantenkontakte).

Insgesamt etwas über einen Kilometer durch den sonnigen jungen Wald am Steinbruchrand, dann ging´s auf einmal ganz unvermittelt noch mal etwas steiler runter und ich fand mich plötzlich über der B9 am weisenauer Rheinufer wieder, die ich auch gleich auf einer Fußgängerbrücke überquerte und dabei ein bisschen in Erinnerungen an meinen ersten Marathonversuch beim Mainzer Gutenberg-Marathon ´07 schwelgte. Damals war da unten irgendwo der Wendepunkt des unendlich langen, fiesen, warmen Stücks von der Innenstadt bis Weisenau und wieder zurück gewesen.
Gut, dass ich mir da wenige Tage vor dem Start eine ziemlich fiese Muskelreizung zugezogen hatte und deswegen nach der HM-Distanz aufgeben musste, sonst wäre ich spätestens an der 30er-Marke gnadenlos eingebrochen (denn fit genug für die 42,2 war ich da ehrlich gesagt noch nicht).
Jaja, so war das damals…

Heute also auf der Brücke über die B9 rüber, auf der anderen Seite dann eine seltsam verschlungene Wendelrampe runter und auf dem Rhein-Radweg nach links, nordwärts, zurück in Richtung der Weisenauer Brücke.
Hier war ich jetzt mittendrin im Schwerindustriegebiet, der Weg schlängelte sich zwischen alten Bahngleisen, klobigen Lagerhallen und den titanischen Silotürmen und Förderbrücken des Zementwerkes und der Biodieselraffinerie hindurch.
Nicht gerade klassisches Postkartenfotogebiet, aber auf seine Weise irgendwie trotzdem interessant – keine Ahnung warum, aber gerade derart gigantische ältere Industrieanlagen finde ich in ihrer Wuchtigkeit und Schwere irgendwie faszinierend.

Ein ganzes Stück auf dem Radweg nach Süden, vorbei an eingezäunten Werksgeländen (hier roch´s teils etwas seltsam, war das der Biodiesel?), ein paarmal über Nebengleise, bis ich schließlich an der irgendwie passend benannten Strasse „Im Güterbahnhof“ wieder den Fuß der Weisenauer Brücke erreichte und über eine steile Treppe bis zur Fuß/Radweg neben der Fahrbahn hochkletterte.

Und zurück.
Über den Rhein nach Hessen.
Dieses Mal auf der anderen Seite der A60, aber eben immer noch direkt neben der Autobahn.
Dieses Mal war´s noch unangenehmer als auf dem Hinweg, sowohl der Lärmpegel als auch mein generelles Unbehagen angesichts der megatonnenschweren Blechlawine, die da nicht mal zwei Meter neben mir kontinuierlich mit wahnwitziger Geschwindigkeit vorbeidonnerte, erzeugte irgendwie eine leicht unbehagliche Grundstimmung, die selbst durch die tolle Aussicht über den Rhein nicht mehr gemindert wurde (hatte heute vielleicht schon zuviel tolle Aussicht gehabt, da half das nicht mehr).
Ich beeilte mich, obwohl meine Beine das gar nicht gut fanden.
So schnell wie möglich über den Fluss, dann in luftiger Höhe über die Ginhsheimer Rheinauen (die von oben sehr hübsch aussahen), und schließlich auf einer weiteren Treppe weg von der Autobahn und runter an den Radweg R6/Regionalparkweg/Rhein-Radweg, nur wenige Meter hinter dem Stück, wo ich vor ca. 1 Stunde auf die Brücke hochgelaufen war.

Natürlich wollte ich nicht denselben Weg zurück nach Ginsheim laufen, den ich schon hergekommen war, also lief ich erstmal kurz auf dem Damm nordwärts (= eigentlich in die falsche Richtung) und bog dann links in die Rheinauen ab.
Nur noch ein Trampelfpad, erst durch herrliche Wildwiese mit beinahe mannshohem Gras, dann links und am Wald eines lichten, schönen Auwalds nach Süden. Ganz viel tolle Natur hier unten, wenn nicht das Dröhnen der nahen Autobahn gewesen wäre, wär´s richtig idyllisch gewesen.

Auf dem Pfad unter der Weisenauer Brücke hindurch, auf der anderen Seite weiter durch am Auwald entlang, hinter dem hin und wieder der Rhein durchschimmerte (und so langsam liess auch der Geräuschpegel der A60 nach und der Gesang der Auwaldvögel – samt einem ziemlich penetranten Kuckuck – rückte in den Vordergrund).
Nach genau einem Kilometer stiess ich auf die alte Nato-Strasse (= gepflaster, führt bis zum Rheinufer, ist breit genug um von Panzern befahren werden zu können, wenn die Sowjets uns überfallen) in Verlängerung der Ginsheimer Bougenais-Allee.
Hier rechts und runter ans Rheinufer, dann links und auf dem Rhein-Neckar-Weg (rotes R) an der Mündung des Altrheins in den Rhein vorbei und weiter Richtung Ginsheim.

Die letzten 1,3 km, und das war auch gut so, denn so langsam wurden mir die Beine doch etwas schwer.
Immer geradeaus am Altrheinufer, erst durch die relativ wilden Überflutungswiesen, dann durch eine Art hübsche baumbestandene Uferallee. Rechts auf dem Altrhein dümpelten zwei Kajakfahrer, die beschloss ich noch schnell zu überholen und machte noch etwas Tempo (autsch!).
Klappte halbwegs, aber nur, weil die sich nicht wirklich anstrengten…

Und schließlich dann wieder Ginsheim, ich passierte noch schnell den großen historischen Kran, und erreichte schließlich – ganz gut ausgepowert – wieder das Ginsheimer Rheinufer, wo die boulespielenden Rentner inzwischen verschwunden waren.

Gute Tour. Relativ weit, und dafür relativ problemlos (auch wenn meine Waden am Ende nicht mehr so recht weiterwollten – so ganz spurlos sind die vielen Kilometer der letzten Woche wohl doch nicht an mir vorbeigegangen). Nicht immer schön, aber immer abwechslungsreich und spannend – und da wo´s schön war, war´s auch gleich richtig schön.
Und ich bin endlich rüber nach Mainz gekommen, das freut mich ganz besonders, da werd´ ich irgendwann demnächst vielleicht sogar mal eine Tour in die wunderschöne Innenstadt angehen können, vielleicht sogar mit Foto…

Strecke: 14,3 km
Zeit: Uhr vergessen. Aber nicht schnell.
Anteil der noch nie gelaufenen/gebloggten Passagen an der Gesamtstrecke: 99,3% (14,2 km von 14,3 km)
Karte:
MZ-Sued

M.

13 Antworten to “Übern Rhein nach Mainz (14,3 km)”

  1. Hannes Says:

    Du wirst immer wieder für deine Entdeckerfreude belohnt. Versprach nicht besonder schön zu werden, laut war es, und doch hat die Strecke dir so einige „Schmachterl“ bereitet. Deine Touren lohnen sich eben immer wieder! Ich bin gespannt, wo dich das noch alles hinführen wird.

  2. diro1962 Says:

    Hast Du schon mal überlegt von Mainz nach Hause zu Laufen? 😉

    • matbs Says:

      Ganz ehrlich: Ja, das hab´ ich.
      Nicht konkret, aber zumindest schon mal angedacht.
      Allerdings reden wir hier je nach Strecke von 50 bis 60 Kilometern, und das war und ist nunmal vollkommen jenseits meiner Möglichkeiten.
      Aber ich bin auch schon unheimlich stolz, dass ich es etappenweise bis da hoch geschafft habe – irgendwann demnächst kommt dann noch die Innenstadt und den Campus meiner Alma Mater, und dann hab´ ich immerhin eine ungebrochene Wegstrecke von zuhause bis ins Herz von Mainz, das ist schon viel mehr, als ich noch vor zwei Jahren zu träumen gewagt hätte.

  3. Christian Says:

    He Matthias,

    nur mal so am Rande: mit Google Earth arbeiten heute nicht mal mehr die Pfadfinder, also kauf Dir mal ein wenig High-Tech 😉

    Lass es Dir gut gehen und übertreib es nicht

    Salut

  4. matbs Says:

    Uh-huh…
    Womit plottest du denn deine Routen in unbekanntem Terrain vorher, Christian?
    Vielleicht kannst du mir ja mal ein paar Tipps geben. 😉 😀

    Übertrieben wird nix, diese Woche war´s schon wieder ruhiger.

    Cheerio

    Matthias

    • Christian Says:

      Hehe, das solltest Du doch inzwischen wissen, ein Blick auf die Wanderkarte zuhause und dann gehts los…und meist auch mit Umwegen und Verwirrungen und Verirrungen 😉

      Nix für ungut 😉

      Salut

  5. Torsten Says:

    GoogleEarth nervt mich auch immer, aber mit Kartenmaterial hat man das gleiche Problem. Das ist auch nicht immer aktuell. Bei GE kann ich wenigstens direkt die Strecke messen, auf der Karte muss man mit Zirkel und Lineal abreiten, iiih!!!

    • matbs Says:

      Hi Torsten,

      also mit Zirkel und Lineal auf der Karte hab´ ich´s ehrlich gesagt noch nie versucht – da wirst du ja narrisch.
      Ich mess´ eigentlich auch immer mit Google Earth und wenn das Bildmaterial veraltet ist, plotte ich die Strecke eben so gut wie´s geht drüber (sind ja meistens nur kurze Teile).

      Gruß

      Matthias


  6. […] – eigentlich die falsche Richtung, aber ich musste die Tour ja auch an die Strecke von meinem letzten Lauf in der Gegend anschliessen, und die hatte nun mal nur am östlichsten Rand von Hechtsheim […]


  7. […] ich letztes Jahr schon mal drüber gelaufen, kein besonders angenehmes Stück. Aber heute muss es halt mal sein, also rechts die Rampe hoch und […]


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